Als der Bus mit den Ballermann-Urlaubern in der Nacht zu Sonntag davonfuhr, realisierte ich: Es ist vorbei. Für einige endete an jenem Tag eine Ära, für mich persönlich endgültig die Hoffnung darauf, im TSV-Dress jemals wieder ein Tor zu schießen. Die Größe meines Scheiterns ist genau zu bemessen: Es sind 11 Meter. Aber sprechen wir nicht weiter davon; jedenfalls nicht nur, sondern werfen wir einen Blick zurück auf die vergangene Spielzeit:
Als zweiter von drei Kapitänen ging ich in die Saison, war dann aber doch recht schnell allein mit der Binde. Sören Sandmann wollte nicht mehr, Aljoscha Wilms fraktierte sich nach zwei Saisontreffern das Tibia Köpfchen und auch Lennart Kruse trug sich ein paar Spiele später in die Verletztenliste ein, auf der beide leider bis heute stehen. Eigentlich hat doch nur Tino Senkler ein Abo auf Aufbautraining, aber der musste seine Runden um den Trainingsplatz in dieser Saison nur selten allein drehen.
Mein Oberarm eigentlich zu dünn, um die ganze Last zu tragen, aber ich bekam einige Tipps: Sören Sandmann und Alen Suljevic sagten, ich soll den Schiedsrichter anschreien, „Mulle“ Raskopp und Tim Becker forderten, dass ich zumindest die Seitenwahl gewinne und Olli Marcordes, dass ich überhaupt mal was sage.
Es haperte allerdings an der Schlagfertigkeit: Auf den wütenden Ausruf eines Bavenstedters beispielsweise, der einmal kundtat, wie sehr er unseren Spielstil hasste, wusste ich nichts zu entgegnen. Das Ergebnis sprach ohnehin für sich. Zwischenzeitlich konnten wir sogar mit dem Aufstieg liebäugeln. Hinnerk Mittendorf hatte bei der Ankündigung seines Abschieds noch versprochen, dass er uns am letzten Spieltag höchstpersönlich in die Oberliga schießen würde, woraufhin wir ab August 2023 durch ganz Niedersachsen reisen könnten, während er seine Zelte wieder in Lembruch aufschlage. Tja, da hatte er, der Kassenwart, sich verkalkuliert: Bereits lange vor dem Abschluss gegen den OSV war klar, dass es mit einem Aufstieg nichts werden würde. Friss das, Mittendorf! Wir sind auch in der kommenden Saison auf der B6 zu finden.
Das letzte Saisonspiel fing auf Bitten des Gastes zwei Stunden früher als geplant an, was unseren Mann aus San Sebastián, Finn Raskopp, ungemein ärgerte, wollte er doch pünktlich zum Anpfiff um 16 (!) Uhr nach mehrwöchiger Abwesenheit wieder in die Startelf stoßen. Man kann ihm seine Ungeduld kaum verübeln, vor allem, weil er feststellte, dass wir nach seinem Abflug kaum noch ein Spiel gewannen. Allerdings hatten wir in dieser finalen Phase der Saison weitere Ausfälle zu verkraften, u.a. das einmalige Fehlen unseres Laufwunders im Tor, Tim Becker, der beim Topspiel in Evesen privat verhindert war. Wahrscheinlich plante er an jenem Tag mal wieder, um den Dümmer zu joggen oder die Bestzeit auf jedem einzelnen Kilometer Straße in der Samtgemeinde zurückzuerobern, weshalb er die Fahrt nach Evesen nicht mitantreten konnte. Auf dem „Schweineacker“ des VfR wurde Becker jedenfalls durch Mike Jahn vertreten, dem größten aller Wetscher Urgesteine.
Wenn man sich im Stadion an der Bruchstraße, Entschuldigung: in der TSV-Arena, so umschaut, hat sich in diesem Jahr nicht nur der Name verändert. In unserer Heimstätte steht jetzt ein Zaun unter den Bäumen, vollkommen Oberliga-konform. Was beim Ausformulieren, Ein laminieren und Umsetzen der NFV-Regularien allerdings nicht bedacht worden ist: Dass ich nach unseren Spielen mit dem Trikotkoffer vor dem verschlossenen Tor stehe. Da ich das Bizeps-Training konsequent verweigere, bin ich nämlich zu schwach, um den Koffer auf der verlängerten Alternativstrecke (vorbei an der Feuerwehr) allein nach Hause zu tragen. Außerdem bin ich bekannt dafür, nächtliche Heimwege nicht unfallfrei zu überstehen. Ein ums andere Mal kam es also vor, dass ich konsterniert im Käfig vor dem Zaun stand, vergeblich nach dem hiesigen Greenkeeper und selbsternannten „besten Spieler der Landesliga“, Phil Schwierking, schrie (und dann nach Ricardo Tenti, der sich auf Hinwegen manchmal erbarmt hatte, mich einzusammeln, wenn ich schon schnaufend an der Kreuzung stand), um mir zur Krönung des Tages mein frisch frisiertes Haupt von der Beregnungsanlage bewässern zu lassen, die immer in der Dunkelheit laufen muss, weil der Boden das Wasser dann besser aufnehmen kann.
Apropos Krönung: Auch Kohlkönig Kai Wessels macht sich im Sommer aus dem Staub; vermutlich, weil er nach der Schließung des Gasthauses Recker keine Ahnung hat, wo er den nächsten Kohlball ausrichten soll. Kai mein lieber, wir hätten schon eine Lösung gefunden! Stattdessen kehrst du uns den Rücken, hast deinen Ausstand beim Training vorher aber angekündigt, wie so viele in diesem Jahr, sodass Physiotherapeut Roland Tischer (Bild folgt) nach eigenen Angaben mittlerweile jedes Mal Herzklopfen bekommt, wenn in der WhatsApp-Gruppe ein Spieler im Nachgang einer Einheit eine lange Nachricht verfasst, die mit den Worten „Moin Jungs“ beginnt. Here we go.
Ich vermisse schon jetzt den abendlichen Blick vor dem Training aus dem Fenster. Also, ich werde weiterhin nach draußen schauen, bevor ich das Haus mit meiner Sporttasche verlasse, dann aber nicht mehr Olli und Hegi beim Aufstellen der Hütchen auf dem B-Platz entdecken; wie sie feixend beieinanderstehen und vermutlich die Geschehnisse des letzten Wochenendes rekapitulieren oder über diejenigen Spieler ihrer Mannschaft herziehen, die mal wieder viel zu kurzfristig abgesagt haben oder aufgrund eines Staus zu spät kommen. Letzteres dürfte in der kommenden Saison nur noch Kevin Reinking betreffen, der all seine Oldenburger Mitfahrer verliert: Mit Kai Wessels und Aljoscha Wilms seine zwei Sechser sowie unsere langjährige Nummer Neun, Steffen Winkler.
Auch die Schnörkellosigkeit unseres besten Torschützen, Philip Kürble, werden wir nur noch ein paar Monate lang genießen dürfen, bevor er wegen seines Masterstudiums eine Pause einlegt. Mit dem Titel „Mannschaft des Jahres 2022“ darf Kürble sich genauso wenig wie der Rest des Teams schmücken, was bei der Preisverleihung zunächst Enttäuschung hervorrief, später in der Körstube aber schon wieder vergessen war. Hätte der Frust tiefer gesessen, dann hätte Sparfuchs Tino Senkler noch Klopfer aus seiner Hosentasche zaubern können, die er vor Beginn der Sportlerwahl bei sich verstaut hatte (für den Fall, dass die Getränke in der Varreler Gutsscheune nicht kostenlos gewesen wären – eine absolut unbegründete Sorge, wie sich schnell herausstellte).
In den wenigen verbleibenden Tagen der Sommerpause gilt es, die Schere zu heben, ein paar Fußbäder zu nehmen, die ein oder andere lockere Einheit zu absolvieren (weiß Lennart Bors überhaupt noch, wie sich seine Bänder ohne Tape anfühlen?), und vor allem: zu überlegen, mit welcher Art von Schienbeinbedeckung man in der kommenden Spielzeit auflaufen möchte: Tube-Stutzen sind gerade total angesagt. Vielleicht sollte ich die Dinger zusätzlich an den Waden aufschlitzen wie die Profis, für eine bessere Aerodynamik. Irgendwie müssen jedenfalls noch ein paar Prozent Leistung draufgepackt werden, damit wir in einem Jahr erneut gemeinsam auf eine erfolgreiche Saison zurückblicken können.
Wir sehen uns hoffentlich bald wieder in der Arena. Bis dahin!
Text: Lukas Heyer