von Lukas Heyer
Als der verbliebene Teil der mitgereisten Fans uns nach dem letzten Saisonspiel unter blau-gelbem Pyro-Rauch empfing, war die Welt wieder in Ordnung. Obwohl wir den Aufstieg um drei Tore verpassten, haben wir eine erfolgreiche Saison gespielt. Zum Schluss grillte der Trainer für das Team, sprach in der Nacht letzte Worte und verließ am nächsten Tag die WhatsApp-Gruppe. Das wars – drei Wochen Sommerpause, bevor Artur Zimmermann übernimmt.
Bei dieser letzten Ansprache hatte sich Alen Suljevic bereits hinter seiner Shisha verschanzt. Er lieferte das Bild des Tages, traurig auf dem Boden kauernd und abgelichtet durch die Zeitung. Den Aufstieg in die Oberliga haben wir vor der Saison nicht konkret als Ziel formuliert, in den letzten Wochen schien aber alles darauf hinauszulaufen, gerade nachdem wir den HSC geschlagen haben. Umso enttäuschender, dass Physiotherapeut Roland Tischer, der sich am letzten Spieltag per Taxi zum Spiel des direkten Konkurrenten kutschieren ließ, von dort nur schlechte Nachrichten tickern konnte. Schnell war Anhängern und Betreuerstab an der Seitenlinie klar, dass es mit der großen Sause nichts werden würde, während die Spieler auf dem Feld in der zweiten Hälfte trotzdem Tor um Tor erzielten.
Wie alles begann
Im Trainingslager in Lastrup hatten wir uns in der Sommervorbereitung zusammengesetzt, um die Ziele zu besprechen und uns sogleich über die Wahrscheinlichkeit ihrer Umsetzung amüsiert (ein Sieg in Krähenwinkel erschien unerreichbar). Den Zuschauerschnitt bei Heimspielen konnten wir nicht anheben (ohne dass ich dafür empirische Beweise hätte), auch keinen Titel nach Wetschen bringen, stellen dafür aber die beste Defensive und sind die fairste Mannschaft der Liga – mal abgesehen von der Vizemeisterschaft.
Grillabende, Schmuddelhefte, Süßigkeiten, Saunagänge… mit allen möglichen Mitteln wollte Björn Wnuck uns auch abseits des Trainingsplatzes zur Höchstleistung treiben. Wobei die Arbeit auf dem Feld stets im Vordergrund stand. Unsere Ernährungsmuster und Schlafgewohnheiten konnte er vielleicht nicht ändern, doch die Zeit unter Wnuck brachte andere Selbstverständlichkeiten hervor, etwa: Dienstags werden Reize gesetzt. Dem straffen Zeitplan fiel dann auch schon mal das lockere Kreisspiel zum Opfer.
Das Ende bahnt sich an
Dass seine Tätigkeit nach einer Saison schon wieder enden könnte, wurde mir zum ersten Mal im Spätherbst bewusst, als er sich nach einer Einheit angeregt mit Phil Schwierking unterhielt. Meiner Erinnerung nach erklärten sie sich gegenseitig ihre umfangreichen Aufgabenfelder und ich dachte: Die beiden haben sich vielleicht zu viel aufgeladen. Zu viel für eine Saison jedenfalls, aber Fortschritt braucht Visionäre, ohne dass ich jetzt zu sehr in die Jürgen-Höller-Motivationsspirale abdriften möchte.
Gerade die letzten Wochen, in denen wir nach jedem der wenigen Spiele, die wir nicht gewinnen konnten, dachten „jetzt ist es vorbei“ waren sehr fordernd. Die vielleicht größte Herausforderung stellte aber unsere Kilmerstuten-Tour im Anschluss an das Heimspiel gegen Evesen dar: Nicht jeder ließ sich zu einer Teilnahme motivieren, die Zylinder-Träger unter uns fanden aber doch den Weg in Christopher Ottes Garten, nachdem sie sich auf der vorletzten Station des Tages beim Nachbarn unseres Co-Trainers noch ordentlich beschwipst die Meinung gegeigt hatten (das Spiel ging torlos zu Ende). Die Kleinfamilie Otte wartete währenddessen am Gartenzaun und bekam hin und wieder einen Spruch durch Co-Trainer Nils Jakobsen reingedrückt. Der meistgeäußerte Satz über ihn dieser Saison war übrigens: „Ich weiß immer nicht, ob er es ernst meint oder ob er mich verarscht.“ Auch Jakobsen müssen wir nach nur einer Saison schon wieder verabschieden.
Was sonst noch zu sagen wäre
Dieser Spaziergang war einer der wenigen Ausflüge, die wir nicht mit dem Bus unternahmen. Von den Fahrten auf der B6 bleiben mir vor allem die Parkplatzspaziergänge, Aktivierungsspiele, Schwierkings Mondbälle und Julian Fehses ausgedehnte (Nach-)Mittagsschläfchen in Erinnerung: Von sich selbst sagt Fehse, er hätte neben dem Fußball keine anderen Hobbies als Schlafen und Essen. Zum Glück konnten die Auswärtsreisen ihm beides bieten. Außerdem fährt er mit einigen Teamkollegen regelmäßig mit dem Rad zur TSV-Arena.
Die Einstandsfeier im Sommer brachte Julian und weiteren Neuzugängen Tabasco-Schnaps - für diejenigen, die sich nicht mit Alkohol von jeglichen Erinnerungen an die erste richtige Mannschaftsfeier beim TSV befreien wollten, auch wenn das Trällern der Vereinshymne dann vielleicht schwerer von der Zunge geht.
Neuzugänge, Alteingesessene und die, die immerhin schon ein paar Jahre dabei sind: Die Trainingsbeteiligung war glaube ich in keinem Jahr so hoch wie in diesem. Das machte in manchen Phasen schwere Entscheidungen erforderlich, da nicht jeder Spieler im Kader stehen konnte. Auch das Leben auf der Ersatzbank ist mit seinen besonderen Anforderungen nicht zu unterschätzen: Mitten im Spiel zünden zu müssen, wenn man überhaupt zum Einsatz kommt. Glücklicherweise ergab sich die ein oder andere Möglichkeit, in der zweiten Mannschaft auszuhelfen, die den Aufstieg am Ende ebenfalls knapp verpasst hat.
Pasiovs letzte Worte
Zum Schluss dieses Berichtes möchte ich die letzten Äußerungen von Ramiz Pasiov wiedergeben, der sich schon im Winter aus dem Kreis der Mannschaft verabschiedete: „Jungs, ich könnte sagen: Ich schau zwischendurch mal vorbei, aber wir wissen alle, dass das nicht stimmt.“
Ich hoffe wenigstens, dass Sie uns auch in der kommenden Saison unterstützen werden, damit wir dem Aufstieg noch einen kleinen Schritt näherkommen als in diesem Jahr. Pasiov war beim letzten Spiel dann auch dabei.
Text: Lukas Heyer / Foto: Horst Vogler